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Die Unterscheidung zwischen transaktionaler und transformationaler Führung wurde erstmals durch Downton (1973) vorgenommen und gewann im Zuge der Untersuchungen des Politikwissenschaftlers Burns (1978) zum Führungsverhalten historischer Persönlichkeiten stark an Bedeutung. Die Konzeptualisierung wurde schließlich von Bass (1985) auf den organisationalen Kontext übertragen. In diesem Artikel werden transaktionale und transformationale Führung zunächst erklärt. Anschließend wird das Full Range of Leadership Model von Bass und Avolio (1994) erläutert und der aktuelle Stand der Forschung dargestellt.
1. Transaktionale Führung
Der Schwerpunkt transaktionaler Führung liegt auf dem konstruktiven Austausch (Transaktion) zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeitenden (Kraus & Kreitenweis, 2020, S. 29). Nach Bass (1985) stellt extrinsische Motivation durch bedingte Belohnung dabei die Grundlage dar (S. 32). Demnach identifizieren transaktionale Führungskräfte die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden und stellen im Austausch für zufriedenstellende Leistungen eine Befriedigung der Bedürfnisse in Aussicht. Dies motiviert ihre Mitarbeitenden, die an sie gestellten Leistungserwartungen zu erfüllen (Bass, 1985, S. 13). Außerdem kommt dem Management-by-Exception (Führung nach dem Ausnahmeprinzip; Übersetzung nach Kraus & Kreitenweis, 2020, S. 29) eine wichtige Rolle zu (Bass, 1985, S. 32). Im Rahmen des passiven Management-by-Exception warten Führungskräfte inaktiv ab, bis Fehler auftreten. Beim aktiven Management-by-Exception erfolgt dahingegen eine aktive Überwachung der Mitarbeitenden, wobei Führungskräfte korrektive Maßnahmen ergreifen, sobald Fehler und Abweichungen vom Standard auftreten (Bass, 1998, S. 7).
Bass und Avolio (1997) postulieren, dass die Wirksamkeit transaktionaler Führung durch die knappen Ressourcen einer Führungskraft begrenzt ist. Demnach werden durch transaktionale Führung lediglich die von einer Führungskraft vorgegebenen Ziele erreicht. Um jedoch darüber hinaus Ziele „höherer Ordnung“ zu erreichen, ist der Wandel von transaktionaler zu transformationaler Führung notwendig (Bass & Avolio, 1997, S. 26).
2. Transformationale Führung
Transformationale Führung ist dadurch gekennzeichnet, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden motivieren, sich weiterzuentwickeln und Leistungen zu erbringen, die über bestehende Erwartungen hinaus gehen (Bass & Avolio, 1997, S. 18). Hierfür fördern sie die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeitenden, übergeordnete Werte und Ziele zu erreichen (Felfe, 2015, S. 40). Bass und Avolio (1997) unterscheiden vier Komponenten transformationaler Führung: (a) Idealisierender Einfluss, (b) Inspirierende Motivation, (c) Intellektuelle Stimulierung und (d) Individuelle Fürsorge (S. 28-29).
Die Facette Idealisierender Einfluss beschreibt, dass transformationale Führungskräfte ihre Mitarbeitenden inspirieren und ihnen aufzeigen, was sie durch zusätzlichen persönlichen Einsatz erreichen können. Darüber hinaus weisen sie hohe ethische und moralische Standards auf. Dies führt dazu, dass sich Mitarbeitende mit ihren Führungskräften identifizieren, ihnen vertrauen und sie als Vorbild bewundern. Weiter umfasst der idealisierende Einfluss die Förderung der Mitarbeitenden, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können. Transformationale Führungskräfte gehen das Risiko ein, langfristig von ihren Mitarbeitenden ersetzt zu werden, um den Nutzen für ihr Team zu steigern (Bass & Avolio, 1994, S. 3; Bass & Avolio, 1997, S. 28). Der idealisierende Einfluss wird auch als charismatische Führung bezeichnet (Bass, 1998, S. 5). In der Führungsforschung wird charismatische Führung ebenfalls als eigenständiges Führungskonzept untersucht (Kraus & Kreitenweis, 2020, S. 26-28). Es besteht jedoch ein Theoriestreit darüber, inwiefern charismatische Führung von transformationaler Führung abzugrenzen ist (Kraus & Kreitenweis, 2020, S. 31).
Inspirierende Motivation bezieht sich auf die Fähigkeit transformationaler Führungskräfte, ihre Mitarbeitenden zu inspirieren und zu motivieren, indem sie klare Ziele formulieren und verdeutlichen, wie diese erreicht werde können. Sie stärken den Teamgeist, indem sie herausfordernde Visionen schaffen. Weiter beschreibt diese Facette den Enthusiasmus und Optimismus transformationaler Führungskräfte, sowie ihr Commitment in Bezug auf die Ziele ihres Teams (Bass & Avolio, 1994, S. 3; Bass & Avolio, 1997, S. 28).
Durch Intellektuelle Stimulierung fördern Führungskräfte den Innovationsgeist und die Kreativität ihrer Mitarbeitenden. Sie ermutigen ihre Mitarbeitenden, Probleme aus neuen Perspektiven zu betrachten und bestehende Annahmen und Werte zu hinterfragen. Dabei sollen auch die Ideen der Führungskraft hinterfragt werden. Durch intellektuelle Stimulierung werden Mitarbeitende befähigt, eigenständig Probleme zu lösen. Fehler sind dabei erlaubt (Bass & Avolio, 1994, S. 3; Bass & Avolio, 1997, S. 28).
Individuelle Fürsorge bedeutet, dass transformationale Führungskräfte alle Mitarbeitenden als Individuen ansehen. Sie erkennen ihre jeweiligen Bedürfnisse und akzeptieren interindividuelle Unterschiede. Transformationale Führungskräfte agieren als Coaches und Mentoren, um alle Mitarbeitenden zu ihrem vollen Potenzial zu entwickeln. Individuelle Fürsorge ist durch regelmäßiges Feedback und einen wechselseitigen Austausch zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitenden gekennzeichnet (Bass & Avolio, 1994, S. 3-4; Bass & Avolio, 1997, S. 29).
In der Führungsforschung besteht keine Einigkeit über die Dimensionalität von transformationaler Führung. So gehen Podsakoff et al. (1990) im Gegensatz zu Bass und Avolio (1994, 1997) von sechs Facetten aus. Sie unterteilen dabei Idealisierenden Einfluss in die Facetten Visionen Aufzeigen und Vorbild sein. Darüber hinaus nehmen sie an, dass Hohe Leistungserwartung eine weitere Facette transformationaler Führung darstellt (Podsakoff et al., 1990, S. 112-114).
3. Full Range of Leadership Model
Aufbauend auf ihren theoretischen Überlegungen zu transaktionaler und transformationaler Führung entwickelten Bass und Avolio (1994, 1997) das Full Range of Leadership Model (siehe Abbildung 1). Die Grundlage des Modells bildet die Annahme, dass transaktionale Führung durch transformationale Führung erweitert wird (Augmentationseffekt). Demnach besteht zwischen transformationaler Führung und der Leistung von Mitarbeitenden ein positiver Zusammenhang, der über die Wirkung transaktionaler Führung hinaus geht (Bass & Avolio, 1997, S. 21-22). Dem Modell zufolge setzt sich umfassendes Führungsverhalten aus laissez-fairer, transaktionaler und transformationaler Führung zusammen (Bass & Avolio, 1994, S. 4).
Abbildung 1. Full Range of Leadership Model.

Quelle. In Anlehnung an Bass und Avolio, 1994, S. 5.
Laissez-faire Führung beschreibt die Vermeidung oder Abwesenheit von Führung und ist somit per Definition äußerst inaktiv und ineffektiv. Im Vergleich dazu ist transaktionale Führung sowohl aktiver als auch effektiver. Bass und Avolio (1994) gehen davon aus, dass im Rahmen der transaktionalen Führung insbesondere bedingte Belohnung geeignet ist, um die Leistung und Weiterentwicklung von Mitarbeitenden zu fördern. Insgesamt stellt transformationale Führung den aktivsten und effektivsten Führungsstil dar (Bass & Avolio, 1994, S. 4-6).
Nach Bass und Avolio (1994) zeigen alle Führungskräfte jedes Führungsverhalten. Dabei kennzeichnet leistungsstarke Führungskräfte, dass sie besonders häufig effektives Führungsverhalten (transformational) und besonders selten ineffektives Führungsverhalten (laissez-faire) demonstrieren (Bass & Avolio, 1994, S. 4-6). Weiterführend wird postuliert, dass die Leistungsbereitschaft, Effektivität und Zufriedenheit von Mitarbeitenden am höchsten ist, wenn transformationale Führung mit transaktionaler Führung kombiniert wird (Bass & Avolio, 1997, S. 22).
4. Stand der Forschung
In mehreren Metaanalysen konnte ein positiver Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und verschiedenen Leistungsindikatoren nachgewiesen werden. Demnach fördert transformationale Führung sowohl die Leistung auf individueller, Team- und organisationaler Ebene als auch die Arbeitszufriedenheit, Motivation und Kreativität von Mitarbeitenden (Judge & Piccolo, 2004, S. 759-760; Lowe et al., 1996, S. 404-405; G. Wang et al., 2011, S. 242-246). Darüber hinaus besteht ein negativer Zusammenhang zu Stress am Arbeitsplatz und Burnout (Diebig et al., 2017, S. 337; Gill et al., 2006, S. 475-477; Hildenbrand et al., 2018, S. 36-37). Weiter fanden Peng et al. (2021), dass transformationale Führung zu größerer Offenheit und größerem Commitment in Bezug auf Veränderungen beiträgt (S. 381). Die Ergebnisse von Judge und Piccolo (2004) stützen außerdem den von Bass und Avolio (1994) postulierten hierarchischen Aufbau des Full Range of Leadership Model (S. 759). Der Augmentationseffekt transformationaler Führung gilt somit als belegt (Felfe, 2015, S. 40).
Literaturverzeichnis
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Podsakoff, P., MacKenzie, S. B., Moorman, R. H., & Fetter, R. (1990). Transformational leader behaviors, and their effects on followers‘ trust in leader, satisfaction, and organizational citizenship behaviors. Leadership Quarterly, 1 (2), 107-142. https://doi.org/10.1016/1048-9843(90)90009-7
Wang, G., Oh, I.-S., Courtright, S. H., & Colbert, A. E. (2011). Transformational leadership and performance across criteria and levels: A meta-analytic review of 25 years of research. Group & Organization Management, 36 (2), 223-270. https://doi.org/10.1177/1059601111401017
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