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Anfang des 21. Jahrhunderts führten diverse Unternehmensskandale und die Finanzkrise von 2008 zu einem starken Vertrauensverlust gegenüber Führungskräften. Führungskräfte wurden zunehmend als Personen angesehen, die egoistische Interessen verfolgen und hierfür unethische Verhaltensweisen in Kauf nehmen. In der Folge gewannen Ethik, Authentizität und Integrität im Rahmen der Führungsforschung stark an Bedeutung (Haas et al., 2017, S. 5; Peus et al., 2015, S. 15). Insbesondere das Konstrukt der authentischen Führung greift diese Aspekte auf (Avolio et al., 2004). In diesem Artikel werden zunächst die vier Komponenten authentischer Führung nach Walumbwa et al. (2008) betrachtet. Nachfolgend wird das Prozessmodell authentischer Führung von Avolio et al. (2004) untersucht. Der Artikel schließt mit dem aktuellen Stand der Forschung.
1. Vier Komponenten
Dem herkömmlichen Verständnis nach beschreibt Authentizität, dass eine Person sich selbst kennt, akzeptiert und treu bleibt (Avolio et al., 2004, S. 802). Authentische Führung geht über diese Definition hinaus (Peus et al., 2015, S. 15). Nach Walumbwa et al. (2008) lässt sich authentische Führung in die Komponenten (a) Selbsterkenntnis, (b) Transparente Beziehungsgestaltung, (c) Ausgeglichene Informationsverarbeitung und (d) Moralische Werthaltung unterteilen.
Selbsterkenntnis beschreibt, dass Führungskräfte ihre eigenen Stärken und Schwächen sowie Werte und Emotionen kennen. Außerdem ist ihnen bewusst, wie sie auf andere Personen wirken. Um Selbsterkenntnis zu erlangen, sind eine konstante Reflexion des eigenen Verhaltens und regelmäßiges Einholen von Feedback notwendig (Haas et al., 2017, S. 6; Walumbwa et al., 2008, S. 95).
Transparente Beziehungsgestaltung bedeutet, dass authentische Führungskräfte offen und ehrlich mit anderen Personen interagieren. Sie fördern gegenseitiges Vertrauen, indem sie ihre Gedanken und Gefühle offenlegen, ohne sich zu verstellen. Außerdem teilen sie ihren Mitarbeitenden stets alle relevanten Informationen mit (Peus et al., 2015, S. 16; Walumbwa et al., 2008, S. 95).
Ausgeglichene Informationsverarbeitung bezieht sich darauf, dass Führungskräfte im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung alle relevanten Aspekte berücksichtigen. Hierfür werden Informationen aus verschiedenen Quellen objektiv analysiert. Authentische Führungskräfte holen insbesondere auch Meinungen ein, die ihrem eigenen Standpunkt widersprechen (Peus et al., 2015, S. 16; Walumbwa et al., 2008, S. 95).
Moralische Werthaltung beschreibt, dass authentische Führungskräfte sich durch hohe internalisierte Werte auszeichnen. Sie bringen diese nicht nur zum Ausdruck, sondern verhalten sich ebenfalls ihren Werten entsprechend. Auch bei sozialem oder organisationalem Widerstand rücken sie nicht von ihren Prinzipien ab (Haas et al., 2017, S. 6; Peus et al., 2015, S. 16; Walumbwa et al., 2008, S. 95-96).
2. Prozessmodell
Nach Avolio et al. (2004) lässt sich die Wirkweise authentischer Führung in einem Prozessmodell darstellen (siehe Abbildung 1). Demnach führt authentische Führung dazu, dass sich Mitarbeitende sowohl mit ihrer Führungskraft als auch mit ihrer Arbeitsgruppe identifizieren. Damit ein Team langfristig erfolgreich sein kann, muss diese Beziehung aufrechterhalten werden. Hierbei stellen Hoffnung, Vertrauen und positive Emotionen drei entscheidende Konstrukte dar (Avolio et al., 2004, S. 806-808).
Abbildung 1. Prozessmodell authentischer Führung.

Quelle. In Anlehnung an Avolio et al., 2004, S. 803.
Avolio et al. (2004) postulieren, dass authentische Führungskräfte realistisch Hoffnung vermitteln, indem sie ihre Ziele mit ihren Mitarbeitenden teilen. Dies führt zu einer positiven Arbeitseinstellung, wodurch wiederum positives Arbeitsverhalten hervorgerufen wird. Führungskräfte haben dabei den größten Einfluss, wenn sie sich ebenso mit ihren Mitarbeitenden identifizieren, wie sich diese mit ihnen identifizieren (Avolio et al., 2004, S. 808-810).
Darüber hinaus fördern die transparente Beziehungsgestaltung und moralische Werthaltung von authentischen Führungskräften das Vertrauen und die Kooperationsbereitschaft ihrer Mitarbeitenden. Das gegenseitige Vertrauen ist besonders hoch, wenn individuelle Eigenschaften, Werte und Ziele übereinstimmen. Außerdem schaffen authentische Führungskräfte Bedingungen, die positive Emotionen und Engagement bei ihren Mitarbeitenden hervorrufen. Vertrauen und positive Emotionen beeinflussen das Arbeitsverhalten von Mitarbeitenden ebenfalls indirekt, indem sie positive Arbeitseinstellungen fördern (Avolio et al., 2004, S. 810-813). Avolio et al. (2004) gehen weiterführend davon aus, dass positive Emotionen bei Mitarbeitenden Optimismus hervorrufen, wodurch positive Arbeitseinstellungen weiter gestärkt werden. Sie nehmen außerdem an, dass Hoffnung, Vertrauen und positive Emotionen sich gegenseitig beeinflussen (S. 814-815).
3. Stand der Forschung
Die Ergebnisse einer Metaanalyse von Zhang et al. (2021) stützen das von Avolio et al. (2004) postulierte Prozessmodell authentischer Führung. Demnach hat authentische Führung einen positiven Einfluss auf die Arbeitseinstellungen von Mitarbeitenden, wie das organisationale Commitment, die Arbeitszufriedenheit und das Arbeitsengagement. Außerdem besteht ein positiver Zusammenhang zum Mitarbeitendenverhalten. So fördert authentische Führung die Arbeitsleistung, Kreativität und freiwilliges Arbeitsengagement (Organizational Citizenship Behavior). Dahingegen besteht ein negativer Zusammenhang zu kontraproduktivem Arbeitsverhalten, Rückzugsverhalten (Kündigungsabsicht) und Stress (Zhang et al., 2021, S. 14). Weitere Untersuchungen zeigen, dass authentische Führung die Bereitschaft fördert, interne Unstimmigkeiten offenzulegen (Liu, Liao, & Wei, 2015, S. 114). Darüber hinaus besteht ein negativer Zusammenhang zu normabweichendem Verhalten (Erkutlu & Chafra, 2013, S. 863).
Literaturverzeichnis
Avolio, B. J., Gardner, W. L., Walumbwa, F. O., Luthans, F., & May, D. R. (2004). Unlocking the mask: A look at the process by which authentic leaders impact follower attitudes and behaviors. The Leadership Quaterly, 15 (6), 801-823. https://doi.org/10.1016/j.leaqua.2004.09.003
Erkutlu, H., & Chafra, J. (2013). Effects of trust and psychological contract violation on authentic leadership and organizational deviance. Management Research Review, 36 (9), 828-848. https://doi.org/10.1108/MRR-06-2012-0136
Haas, K., Fladerer, M. P., & Nieberle, K. (2017). Authentische Führung – Ein Überblick und aktuelle Entwicklungen. Wirtschaftspsychologie, 1, 5-13.
Liu, S.-m., Liao, J.-q., & Wei, H. (2015). Authentic leadership and whistleblowing: Mediating roles of psychological safety and personal identification. Journal of Business Ethics, 131 (1), 107-119. https://doi.org/10.1007/s10551-014-2271-z
Peus, C., Wesche, J. S., & Braun, S. (2015). Authentic Leadership. In J. Felfe (Hrsg.), Trends der psychologischen Führungsforschung. Neue Konzepte, Methoden und Erkenntnisse (S. 15-26). Hogrefe.
Walumbwa, F. O., Avolio, B. J., Gardner, W. L., Wernsing, T. S., & Peterson, S. J. (2008). Authentic leadership: Development and validation of a theory-based measure. Journal of Management, 34 (1), 89-126. https://doi.org/10.1177/0149206307308913
Zhang, Y., Guo, Y., Zhang, M., Xu, S., Liu, X., & Newman, A. (2021). Antecedents and outcomes of authentic leadership across culture: A meta-analytic review. Asia Pacific Journal of Management, 1-37. https://doi.org/10.1007/s10490-021-09762-0
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